Sebastian Painadath SJ
Kontemplation - was ist das?
" Dinge zu kennen ist Wissen, sich zu erkennen, ist Weisheit.
Der Weg zur Erfassung der Weisheit ist Kontemplation.
Es gibt zwei geistige Wahrnehmungsfähigkeiten in uns: den
Verstand und die Vernunft, mens und intellectus, ratio und
intuitio, manah und buddhi.
Der Verstand erzeugt Gedanken, Gefühle, Erinnerungen und
Urteile. In der Vernunft entstehen Einsichten und Erkenntnisse.
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Der Verstand analysiert die Wirklichkeit, die Vernunft betrachtet
den tieferen Sinn. Der Verstand ist aktiv in der Tätigkeit, während
die Vernunft eher rezeptiv im Vorgang ist.
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Der Verstand geht pfeilartig nach vorne, aber die Vernunft scheint,
wie das innere Licht. " Wenn das Licht in dir aufgeht, wird dein
ganzer Leib beleuchtet." ( Lk. 11,36)
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Der Verstand ist nach aussen gerichtet:
Er begreift alles, insofern es als Gegenstand betrachtet wird. Die
Vernunft ist nach innen orientiert: Sie erfährt das Wesen im Eins-
Werden. Der Verstand operiert in der Subjekt-Objekt-Struktur und
begreift alles. Die Vernunft erfasst das eigentliche Subjekt, indem
sie zum Seinsgrund geht( intuitio = intus ire).
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Was ist die Welt? - fragt der Verstand.
Wer bin ich? - so taucht die Frage in der Vernunft auf.
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Der Verstand vermittelt Information; die Vernunft ermöglicht
Transformation. Der Verstand funktioniert mit dem Prinzip der
Dualität und stellt die Unterschiede fest; die Vernunft wirkt auf Grund
der Einheit und nimmt das Verbindende wahr.
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Und das alles tief miteinander Verbindende und Belebende ist das
Göttliche. Die Vernunft nimmt im inneren begnadeten Licht die Gegen-
wart des Göttlichen eher wahr.
Der Versenkungsweg dahin ist Kontemplation.
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Die griechischen Mystiker bezeichnen die Vernunft als nous. was im nous
geschieht, ist eine Art Betrachten: Schauen, Theoreia, Kontemplation.
Die indischen Meister beschreiben die Vernunft als buddhi. Das Auge der
buddhi wird vom göttlichen Licht geöffnet. Der Weg dazu ist dhiana
Meditation, Innenschau.
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In der tiefsten Selbst-wahrnehmung treffen sich alle suchenden Menschen
von Ost und West. Der eine göttliche Geist vertieft das Bewusstsein und
verwandelt das Leben. Das eine göttliche Licht beleuchtet die Herzen
aller Menschen.
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Kontemplation ist der Zugang zur Tiefendimension des Seins. In tiefer
Kontemplation treffen sich alle Religionen. Stille verbindet die Herzen;
Lärm erzeugt Polarität.
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Im integrierenden geistlichen Leben besteht eine ständige Dialektik
zwischen Verstandestätigkeit und Vernunftwahrnehmung, zwischen
Reflexion und Kontemplation. Reflexion ohne die Tiefe der Kontemplation
ist wie ein Baum ohne Wurzel; Kontemplation ohne die Sprache der
Reflexion trägt keine Früchte im Leben."
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Pierre Stutz
" Erkenne dich selbst
schaffe Distanz
zu den Ereignissen
erfahre im tiefen
Ein- und Ausatmen
den alles verbindenden
Atem Gottes."
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